"Friedensprojekt Euro" , ein zynischer Witz
Bilanz 5 Jahre Euro-Rettung
Die Segnungen sozialistischer Abstimmungssysteme, die sich im EZB-Rat dadurch ausdrücken, dass eine solide Mehrheit von 70 Prozent der Debitoren eine machtlose Minderheit von 30 Prozent der Kreditoren nach Lust und Laune ausplündert, werden in der EUdSSR in einer selten augenfälligen Weise offenbar.
Mit der im September des Vorjahres von Mario Draghi erfolgten Erklärung, die EZB werde künftig „unbegrenzt“ Staatsanleihen bedrängter Euro-Länder aufkaufen, erlangte die Schulden- und Währungskrise Euro-Lands eine neue Dimension. Bedeutete diese Ankündigung doch nichts anderes, als dass die Euro-Zone – im strikten Widerspruch zu den im Maastrichter Gründungsvertrag niedergelegten Regeln – in eine Haftungsgemeinschaft und Transferunion umgewandelt werden soll. Wie formulierte es die derzeitige IWF-Chefin Christine Lagarde so entwaffnend: „Wir mussten Verträge brechen, um den Euro zu retten.“
Die EZB, die ihrer Satzung gemäß zur
Aufrechterhaltung der Währungsstabilität verpflichtet ist, maßte sich damit die
Übernahme von fiskalischen und „sozialen“ Aufgaben an. Damit ist ihr Mandat
klar überschritten. Zudem verliert sie den letzten Rest des Anscheins
politischer Unabhängigkeit. Die Bewahrung der Stabilität der
Gemeinschaftswährung und eine selektive Staatsfinanzierung haben miteinander nämlich
nicht das Geringste zu tun. Wer heute die Schuldenunion zur Voraussetzung der
Bewahrung des Euro erklärt, sollte einen Blick über den Atlantik werfen: Die
USA kennen keine Schuldenunion und dennoch gibt es den Dollar seit mehr als 200
Jahren. Jeder der 50 Bundesstaaten haftet alleine für seine Verbindlichkeiten –
und geht im Fall der Fälle eben pleite. Davon, dass die beabsichtigte „Rettung“
des Euro oder der maroden Staaten durch serienweise Vertragsbrüche zwecks der
Etablierung gegenseitiger Schuldbürgschaften gelungen ist, kann keine Rede
sein. Welcher über ein Minimum an Urteilskraft verfügende Bürger wird je wieder
Vertrauen zu Akteuren fassen, die ihre Unseriosität bereits auf so
eindrucksvolle Weise bewiesen haben? Wenn es ausgerechnet solche professionellen
Hütchenspieler sind, die fortgesetzt und wortreich die „Wiederherstellung des
Vertrauens der Märkte in den Euro“ beschwören, handelt es sich dabei um eine
beispiellose Chuzpe.
Mehr als fünf Krisenjahre und einige Jahre
„Euro-Rettung“ liegen nun hinter uns. Fazit: Nicht nur um Griechenland steht es
heute schlechter als je zuvor. Das europäische Esperantogeld wird in die
Geschichte eingehen als die erste Währung der Welt, die – vor ihrem schmählichen
Scheitern – ein rundes Drittel der Zeit ihres Bestehens „gerettet“ werden musste.
Dass das deutsche Verfassungsgericht, das
dieser Tage über die Frage zu entscheiden hat, ob mit der Politik der EZB eine
Verletzung des deutschen Grundgesetzes einhergeht, sich gegen die von den
Pleitekandidaten (inklusive Frankreich) gewünschte Fortsetzung der
beispiellosen Verschuldungsorgie stellen wird, darf ernsthaft bezweifelt
werden. Zu mehr als windelweichen und, wie sich in der Vergangenheit schon mehrfach
gezeigt hat, in jedem Fall belanglosen „Auflagen“ werden die seltsam gewandeten
Damen und Herren Richter sich kaum aufzuschwingen getrauen – trägt Deutschland
doch bekanntlich eine niemals endende „besondere Verantwortung“ für Europa.
Der Ökonom und
Präsident des Münchner ifo-Instituts Hans-Werner Sinn beschreibt in seinem Ende
2012 erschienenen und nach wie vor hochaktuellen Buch „Die Target-Falle“ (Untertitel:
„Gefahren für unser Geld und unsere Kinder“) schonungslos, welche Folgen die
von den Schuldnerländern gegen deren Gläubiger durchgesetzte Schuldenkollektivierung
nach sich ziehen wird: Nicht nur, dass damit eine Genesung der maroden
Volkswirtschaften der Euro-Zone nachhaltig unterbunden wird (weil notwendige,
aber unpopuläre Anpassungsprozesse dank unbegrenzt verfügbaren, billigen Geldes
niemals in Angriff genommen werden), sondern es steht nicht weniger als ein
erheblicher Teil der Auslandsvermögen der (noch) wirtschaftlich gesunden Länder
Euro-Lands auf dem Spiel. Die im Falle des Auseinanderbrechens der
Gemeinschaftswährung endgültig abschreibbaren Forderungen Deutschlands werden vom
Autor per August 2012 mit rund 700 Milliarden Euro (!) beziffert. Holländer und
Finnen, die beiden anderen „Target-Kreditoren“, sitzen – zusammen mit den
Deutschen – in der Finanztitanic. Die kreuzt – mit ihren wehrlosen Gläubigern,
leider aber ohne Navi, Kompass und Sextant an Bord – mitten zwischen Skylla und
Charybdis.
Es geht, wie Sinn elaboriert darlegt,
nicht etwa um Gelder von Banken, anonymen „Spekulanten“ oder internationalen Kapitalfonds.
Hier stehen schlicht und ergreifend die mühsam zusammengekratzten Spargroschen
von Krethi und Plethi im Feuer – das Geld von Sparern und Rentnern. Die werden
es gewiss mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen, dass in Südland und Frankreich
weiterhin kein Mensch daran denkt, die Ärmel hochzukrempeln, sondern munter –
und auf ihre Kosten – Arbeitszeiten verkürzt und Beamte gemästet werden.
Den im Target-System aufgelaufenen Salden
zugunsten Deutschlands, der Niederlande und Finnlands stehen, wie Sinn
überzeugend darlegt, keinerlei pfändbare Realwerte gegenüber. Sie können, dank
der von Grund auf faulen Konstruktion des Euro-Systems und der frivolen
Geldpolitik der EU, niemals fällig gestellt werden. Die Segnungen
demokratischer Abstimmungssysteme, die sich im EZB-Rat dadurch ausdrücken, dass
eine solide Mehrheit von 70 Prozent der Debitoren eine machtlose Minderheit von
30 Prozent der Kreditoren nach Lust und Laune ausplündert, werden hier in einer
selten augenfälligen Weise offenbar.
Dass es in Pleitestaaten wie Griechenland
und Portugal keine strukturelle Verbesserung geben kann, solange es dort nicht
zu realen Abwertungen durch Lohn- und Preiskürzungen in der Größenordnung von etwa
30 bis 35 Prozent kommt (die vermutlich nur um den Preis von Bürgerkriegen
durchzusetzen wären), wird sich – da ja ein Austritt aus der Euro-Zone von
allen Verantwortlichen unisono zur Unmöglichkeit erklärt wird – als Sargnagel
für den Euro herausstellen. Es wird nicht möglich sein, dass der Süden Europas dauerhaft
von im Norden erpressten Schutzgeldern lebt. Dass die deutschen Steuerzahler
als faktisch einzig nennenswerte Financiers der EU sich von vertragsbrüchigen
Eurokraten – die in Tateinheit mit dem ihre Interessen mit Füßen tretenden
Deutschen Bundestag handeln – nicht auf Dauer werden ausnehmen lassen, kann
ebenfalls als sicher gelten.
Heute rächen sich die deutschen Sündenfälle
der Vergangenheit. Jetzt nimmt – dank einer auf Appeasement bedachten
Europapolitik – das internationale Kesseltreiben gegen Deutschland stetig an
Intensität zu. Welche Zugeständnisse heute auch immer gemacht werden – es ist
doch stets zu wenig. Gegen grundsätzlich auf Seiten der Schuldner stehende
internationale Besserwisser und deren fügsame Journaille ist es schwer,
anzukommen. Angesichts der in den USA herrschenden Rechtslage erscheinen die
von dort kommenden Zurufe, Deutschland möge doch endlich den Widerstand gegen
die Schuldengemeinschaft und die Auflage von Euro-Bonds aufgeben, besonders
unbegreiflich (an eine Verschwörung wird ja niemand denken, der auch pureDummheit für eine mögliche Erklärung hält).
Indessen werden die ob der
Verfehlungen vieler Deutscher in der Vergangenheit von allerlei Philistern mahnend
erhobenen Zeigefinger die Bürgen und Zahler von heute mit Sicherheit nicht in
alle Ewigkeit beeindrucken. Massive Spannungen und tiefgehende Zerwürfnisse zwischen
Gläubigern und Schuldnern sind also programmiert. Der Euro – ein
Friedensprojekt? Was für ein zynischer Witz…!
Andreas Tögel, den 14. Juni 2013Bürokratiekostenindex steigt auf neuen Höchststand |