ein genial beschriebenes Schlaglicht auf das Verhältnis und deren Unwucht. Das Soviet Fossil verlagert gen Westen, mag man bestätigen.
Von Andre Lichtschlag, -ohne Abstriche echt eigentümlich frei
Die
Bande um Putin und Medwedew und ihre Helfershelfer werden nun auch die nächsten
sechs Jahre das große Russland regieren und sich selbst bereichern. Wirkliche
Opposition gegen die Machtclique wurde von Wahlkommissionen und Systemmedien in
den letzten Monaten ein ums andere Mal krass übervorteilt. Sie hatten keine
Chance. So in etwa der Tenor in den deutschen Mittelstrommedien.
Falsch
ist das alles nicht. Nur: Ist es bei uns so anders? Ist eine Journaille, die
ihr Mütchen immer nur dann kräftig kühlt, wenn der Gegner 1.800 Kilometer
entfernt sitzt oder mehr als 60 Jahre tot ist, „kritisch“? Oder tatsächlich nur
noch lächerlich?
Geht
es echten Oppositionellen gegen unsere Classe politique und deren Helferkaste
in den etablierten Medien anders als denen in Russland? Damit sind nicht etwa Scheinoppositionelle
wie die Piratenpartei gemeint. Die gibt es in Russland auch. Schirinowski wird
von den dortigen Staatsmedien genauso gehyped. Lieber frage man einmal Ron Paul
in Amerika. Oder Eva Herman und Martin Hohmann nach ihren hiesigen Erfahrungen.
Oder neue konservative Parteien. In ARDZDF-Wahlsendungen, vor jeder Wahl genau genommen
immer eine, in der „Sonstige“ überhaupt vorkommen, wird ihnen mit lüstiger
Jazz-Musik nach knapp einer Minute Schnellredezeit feixend das Wort entzogen.
Den Rest erledigt das johlende, „gegen rechts“ stets handverlesen-zuverlässige
Publikum. Da können selbst die russischen Propagandafunker noch was lernen.
Und
die unfaire Wahlzulassung? Man befrage dazu einmal Marine LePen in Frankreich,
die im übrigen dieselben Erfahrungen seit Jahren auch mit ihren Medien macht.
Im Vergleich mit ihr oder der BNP in England werden russische Oppositionelle von
den dortigen Journalisten und Behörden zuvorkommend und höflich behandelt.
Deutsche
Zuschauer und Zeitungsleser werden am Sonntagabend ihren Augen kaum getraut
haben. Seit Wochen wird ihnen das nahe Ende Putins vorgegaukelt – und nun
gewinnt der ausgemachte Verlierertyp mit knapp 64 Prozent die Wahl. Fälschung!
Schreien nun unsere Gazetten und Sender. Und berichten über ein paar
aufgebauschte Zwischenfälle mehr als über den großen Wahlsieger. Das hat
durchaus System.
Vorgestern
am Wahlabend zum Beispiel bejubelten mehr als 100.000 Anhänger Wladimir Putins
Tränen- und Kampfrede in Moskau. Von der Träne abgesehen eine Nischenmeldung
hierzulande. Gestern protestierten wenig mehr als ein Zehntel davon gegen
Putin. Hauptschlagzeile. Auch ohne Träne. So kennen wir das bereits aus Ungarn.
Deutsche Journalisten stehen an der Propagandafront in der ersten Reihe. Wenn‘s
nichts kostet.
Es ist
ja tatsächlich nicht alles falsch, was uns da erzählt wird. Jüngere, hoch
gebildete Städter, die unter Medwedew-Putin heute sehr gut verdienen, sind plötzlich
gegen ihn. Ausgerechnet der neue, einst von den Kommunisten restlos
vernichtete, nun aufstrebende Mittelstand des Landes wendet sich gegen die
Macht der Patriarchen. Ja, es geht ihnen prächtig, sagen sie. Und aber: „Putin
muss weg!“ Doch – und selbst das verschweigen unsere Medien ja nicht mal – sie
kennen auch keinen besseren. Ist es womöglich gerade der Wohlstand, der sie
anders als Millionen konservativere Russen abseits der Metropolen zu waghalsigen
Experimenten verleitet, deren Ausgang sie insgeheim sogar fürchten? Nie ging es
beispielsweise der deutschen Jugend besser als Mitte der 60er Jahre. Und gerade
dennoch: Mehr als 30 Jahre lang war sie politisch nicht mehr so
experimentierfreudig gewesen wie just da, in der Zeit des größten Wohlstands.
So
gesehen wäre Putin nicht das erste Opfer des eigenen Erfolgs. Wenn denn
tatsächlich seine Zeit ablaufen würde. Doch genau das ist seit vorgestern noch
unwahrscheinlicher als zuvor, da mögen ARD und
„Spiegel“, „Bild“ und ZDF senden und drucken, was sie wollen. Wo ist
eigentlich Gerd Ruge? Und Gabriele Krone-Schmalz? Schämen sie sich für ihre
Nachfolger?
Es
gibt zu Putin in Russland schlicht keine Alternative. Am zahlreichsten und
lautesten sind noch Kommunisten und Ultranationalisten. Doch will man die im
Westen wirklich lieber sehen? Wie in Libyen die Mörderbanden und Foltertrupps
gegen und nach Gaddafi? Hat auch dieser Zynismus System?
Der
Hass der deutschen Politiker und Journalisten auf Wladimir Putin hat wenig mit
einem verlängerten „kalten Krieg“ zu tun. Und er kommt auch nicht zufällig.
Putin ist ein hoch intelligenter, nichtlinker, kulturkonservativer, stark religionsverbundener
Autokrat mit Stolz auf sein Reich und persönlichem Charisma. Das genaue
Gegenteil also von Merkel, Gabriel und Co. in Berlin samt ihrer eben doch nur
noch lächerlichen Huldigungstruppen. Nur wenige auf der Welt sind mit diesem Putin
vergleichbar. Am ehesten noch Recep Tayyip Erdogan. Beide haben in vielerlei
Hinsicht einen Vorgänger: Francisco Franco. Der war sowas wie ein Ersatzkönig im
Zeitalter der Massenideologien Sozialismus-Nationalismus-Demokratie. Wie
Erdogan Sultan und Putin Zar. Und er war genauso verhasst beim politmedialen
Establishment, obwohl er zum Beispiel Hitler und Churchill gegeneinander
ausspielte und sein Volk mit großem Geschick vor Millionen Toten im Zweiten
Weltkrieg bewahrte. Oder gerade weil er das tat?
In
Deutschland liegen die psychologischen Verwerfungen seither besonders tief.
Eine nationale Interessen- oder Außenpolitik findet im Land der einstigen
Dichter, Denker und Kaisertreuen lieber gar nicht mehr statt. Klar, dass hier
ein selbstbewusster Sultan oder Zar Angst- und Neidgefühle weckt.
Und
umgekehrt? Neidisch sind die Russen immer schon auf Deutschland gewesen. Und wie
sagte der Schriftsteller Wladimir Kaminer neulich? „Das Bild von der deutschen
Staatlichkeit schreckt sehr viele Russen ab. Sie haben Angst vor der Verweichlichung
der Staatsgewalt. In Russland müssen ehemalige Offiziere, am besten Oberste an
der Macht stehen. Und wer schmeißt hier in Deutschland den Staat? Eine Tante,
ein Schwuler und ein Rollstuhlfahrer! Davor haben die Russen Angst, das könnte
in Russland nicht der Fall sein. Und deswegen wählen sie eben auch Putin. Nicht
alle, aber nach wie vor sehr viele.“
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siehe auch: The European Union - the New Soviet Union?